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Unzulässige Klauseln eines Kreditkartenunternehmens

Thema: Erfolgreiche Verbandsklage gegen Card complete – unrechtmäßig verrechnete Entgelte können zurückgefordert werden

Gesetz: § 6 Abs 3 KSchG, § 879 Abs 3 ABGB, § 6 Abs 1 Z 2 KSchG, §6 Abs 3 ZaDiG, § 29 Abs 1 ZaDiG, § 29 Abs 2 ZaDiG, § 27 Abs 1 ZaDiG, § 27 Abs 3 ZaDiG, § 28 Abs 1 KSchG, § 409 Abs 1 ZPO

Schlagwörter: Änderungsrecht, gröbliche Benachteiligung, intransparent, Rügeobliegenheit, Berichtigungspflicht, Indexanpassung, Aufwandersatzanspruch, Kostenersatzanspruch, Kartensperre, Nebenpflicht, Rücklastschriftspesen, Leistungsfrist

Urteil: OGH 21.3.2018, 9 Ob 82/17z

Leitsatz: Im vorliegenden Fall wurde im Auftrag der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte eine Unterlassungsklage wegen rechtswidriger Klauseln gegen ein Kreditkartenunternehmen eingebracht. Einmal mehr betonte der OGH, dass Klauseln, die uneingeschränkte Leistungsänderungen über eine Erklärungsfiktion vorsehen, gegen das Transparenzgebot verstoßen und gröblich benachteiligend sind.

Zum Thema Aufwandersatzanspruch führte der OGH im Sinne der bisherigen Judikatur aus, dass sowohl für die Kartensperre (Nebenpflicht iSd § 27 Abs 3 ZaDiG) als auch für Rücklastschriften kein gesondertes Entgelt verlangt werden darf.

Zur Frage der Angemessenheit einer Leistungsfrist hielt der OGH eine Frist von 6 Monaten für das „Sich Berufen auf die unzulässigen Klauseln“ nicht für unangemessen lang.     

 Folgende Klauseln waren strittig:

5.)        6. Die geänderten Geschäftsbedingungen werden dem KI über www.cardcomplete.com [1] zugänglich gemacht.

26.)      18.  Eine Änderung dieser AGB wird dem KI schriftlich zur Kenntnis gebracht und gilt nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten nach Zustellung als genehmigt, wenn der KI nicht schriftlich unterfertigt innerhalb dieser Frist widerspricht. Die geänderten AGB werden dem KI über www.cardcomplete.com [1]zugänglich gemacht. Ein Widerspruch berechtigt beide Vertragsparteien zur Auflösung des Kartenvertrages aus wichtigem Grund. Card complete wird den KI auf die Änderung der AGB, die zweimonatige Frist, den Fristbeginn, die Bedeutung seines Verhaltens und die ihm zustehenden Rechte besonders hinweisen.

In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen erklärte der OGH die Klauseln 5) und 26) für unzulässig. Auch wenn Klausel 26 den formalen Vorgaben des § 6 Abs 1 Z 2 KSchG entspreche, sei ihre Zulässigkeit nach § 6 Abs 3 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB zu prüfen (RIS-Justiz RS0128865). Eine Klausel, die über eine Zustimmungsfiktion Änderungen des Vertrages unbeschränkt zulässt, verstößt gegen das Transparenzgebot. In der Entscheidung 1 Ob 210/12g missbilligte der OGH die mit einer solchen Klausel verbundene uneingeschränkte Möglichkeit des Verwenders von allgemeinen Geschäftsbedingungen, das Äquivalenzverhältnis von Leistungen und Gegenleistungen über eine Zustimmungsfiktion erheblich zu seinen Gunsten zu verschieben und erkannte daher einen Verstoß gegen § 6 Abs 3 und § 879 Abs 3 ABGB. Auch Klausel 26) und Klausel 5) enthalten keine entsprechenden Einschränkungen und wurden daher für rechtswidrig erkannt.

14)        4. Liegt einer Transaktion keine oder eine davon abweichende Zahlungsanweisung des Kl zugrunde, kann der KL die Berichtigung einer Anlastung nur dann erwirken, wenn er card complete unverzüglich nach deren Feststellung, jedoch spätestens 13 Monate nach Zustellung der Monatsrechnung hievon unterrichtet hat. Diese Frist gilt nicht, wenn card complete dem Kl die Informationen gemäß Punkt 7.1. zu der jeweiligen Anlastung nicht zugänglich gemacht oder mitgeteilt hat. 

Die Klägerin qualifizierte diese Klausel aufgrund der Formulierung „nur dann“ als Verstoß gegen § 36 Abs 3 ZaDiG. Die Bestimmung des § 36 Abs 3 ZaDiG regelt die Berichtigung eines Zahlungsvorgangs und beruht auf Art 58 der Zahlungsdienste-Richtlinie 2007/64/EG. Nach den Erwägungsgründen (ErwGr 31) soll die Richtlinie andere Ansprüche zwischen Zahlungsdienstnutzern und Zahlungsdienstleistern nicht berühren, weshalb Fristen für eine gerichtliche Geltendmachung nach dem Zivilrecht und auch Ansprüche aus dem Titel des Schadenersatzes bei Verschulden des Zahlungsdienstleisters von der Frist des § 36 Abs 3 unberührt bleiben (RV 207 BlgNR 24. GP 42; ebenso 1 ob 244/11f; Haghofer in Weilinger, ZaDiG § 36 Rz 40). Schon in der Entscheidung 1 Ob 244/11f erklärte der OGH eine entsprechende Vertragsbestimmung nach § 36 Abs 3 ZaDiG für unzulässig. Eine Verletzung der Rügeobliegenheit führe nicht zum Verlust jeglicher Ansprüche auf Berichtigung. Die Verletzung der Rügepflicht könne den Zahlungsdienstleister somit nur dann von der Berichtigungspflicht befreien, wenn er mangels Rüge nicht von der fehlenden Autorisierung wusste bzw. nicht davon hätte wissen müssen. Die vorliegende Formulierung „nur dann“ würde alle darüberhinausgehenden Ansprüche auf Berichtigung ausschließen, weshalb die Klausel gegen § 36 Abs 3 letzter Satz ZaDiG verstoße.  Überdies sah der OGH in dieser Klausel auch einen Verstoß gegen § 6 Abs 3 KSchG, weil die Rechtslage unrichtig wiedergegeben wurde.

17.)      9.5. Die Entgelte und Gebühren sind auf Grundlage des von der Statistik Austria verlautbarten Verbraucherpreisindex 2005 (VPI 2005) oder des an seine Stelle tretenden Index wertgesichert. Als Bezugsgröße für diesen Vertrag dient die für den Monat Oktober 2009 errechnete Indexzahl. Eine Erhöhung oder Verringerung der Entgelte und Gebühren erfolgt einmal jährlich am 1. Februar eines jeden Kalenderjahres, wobei Schwankungen der Indexzahl nach oben oder unten bis ausschließlich 5 % berücksichtigt bleiben. Dieser Spielraum ist bei jedem Überschreiten nach oben oder unten neu zu berechnen, wobei stets die erste außerhalb des jeweils geltenden Spielraums gelegene Indexzahl die Grundlage sowohl für die Neufestsetzung der Entgelte als auch für die Berechnung des neuen Spielraums zu bilden hat. Die Berechnung erfolgt auf zwei Dezimalstellen. Sollte card complete im Falle einer Erhöhung des VPI eine Anpassung nicht vornehmen, so verzichtet card complete nicht auf das Recht, die betreffende Erhöhung in den Folgejahren bei der Anpassung der Entgelte zu berücksichtigen. Card complete wird eine Änderung der Gebühren und Entgelte vor Wirksamkeit auf www.cardcomplete.com [2]veröffentlichen.

Aufgrund der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (3 Ob 107/11y, 1 Ob 244/11f) zur Unzulässigkeit von Indexanpassungen im Anwendungsbereich des ZaDiG sah der OGH in der gegenständlichen Klausel in Übereinstimmung mit den Unterinstanzen einen Verstoß gegen § 29 Abs 1 ZaDiG. In der Entscheidung 3 Ob 107/11y kam der OGH zum Ergebnis, dass in allen nicht in § 29 Abs 2 S 1 ZaDiG angeführten Fällen eine Änderung der Entgelte nach dem Abschluss des Rahmenvertrags der Einhaltung der in § 29 Abs 1 ZaDiG vorgesehenen Vorgangsweise bedürfe. Diese Entscheidung wurde in 1 Ob 244/11f mit weiterführenden Erwägungen bestätigt. Die gegenständliche Klausel erfüllte nicht die Vorgaben des § 29 Abs 1 ZaDiG und war daher rechtswidrig.

21.)      12.2. Ist eine Karte über das Vertragsende hinaus gültig, so hat der KI die jeweilige Karte binnen zwei Wochen nach Vertragsbeendigung an card complete zurückzustellen oder die Vernichtung der jeweiligen Karte schriftlich unterfertigt zu bestätigen. Unterlässt dies der KI schuldhaft, ist card complete berechtigt, die Kosten einer Kartensperre (Punkt 20.) in Rechnung zu stellen und/oder die Karte einzuziehen.

27.)      13.6.    Liegt die Ursache für eine Kartensperre in der Sphäre des KI, ist card complete berechtigt, eine Sperrgebühr (Punkt 20.) zu verrechnen.

… Entgelte, Gebühren und Zinsen:

… Sperrgebühr EUR 40,-

… Rücklastschriftspesen tatsächlich anfallende Bankspesen zzgl. Bearbeitungsgebühr von EUR 4,-

Nach der Rechtsprechung sei in § 27 Abs 1 und 3 ZaDiG abschließend geregelt, in welchen Fällen der Zahlungsdienstleister einen Aufwandersatzanspruch- bzw. Kostenersatzanspruch geltend machen könne.  Schon in den Entscheidungen 9 Ob 26/15m und 9 Ob 31/15x führte der OGH aus, dass die in § 35 abs 1 ZaDiG vorgesehene Sperrmöglichkeit eine sonstige Nebenpflicht im Sinne des § 27 Abs 3 ZaDiG darstelle. Diese Nebenleistung falle nicht unter die taxativ aufgezählten Ausnahmen des § 27 Abs 1 und 3 ZaDiG, weshalb der Zahlungsdienstleister dafür kein gesondertes Entgelt verrechnen dürfe.

Auch bezüglich der Rücklastschriftspesen sei die oben genannte Rechtsprechung anzuwenden, weil aus der Revision nicht hervorgehe, dass entgegen der Bezeichnung als Spesen kein Aufwandersatz geltend gemacht werde.

Die Klauseln 21) und 27) wurden aus diesen Gründen für unwirksam erklärt.

Zur Leistungsfrist

Der Beklagten wurde eine Leistungsfrist von 6 Monaten sowohl für das Verbot der Verwendung als auch für das Verbot, sich auf die unzulässige Klausel zu berufen, gewährt. Die Klägerin bekämpfte die Zuerkennung einer sechsmonatigen Leistungsfrist hinsichtlich des Verbots, sich auf die als unzulässig erkannten Klauseln zu berufen. Die Revision der Klägerin war allerdings erfolglos.

Nach § 28 Abs 1 KSchG kann jemand auf Unterlassung geklagt werden, wenn er seinen Verträgen Bedingungen zugrunde legt, die gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen. Werden Allgemeine Geschäftsbedingungen für unzulässig erklärt, so trifft den Verwender dieser Bedingungen die Verpflichtung, diese Geschäftsbedingungen zu ändern, wobei das Gericht gemäß § 409 Abs 2 ZPO dafür  eine angemessene Frist zu setzen hat. Diese Leistungsfrist wurde in der Rechtsprechung sowohl auf den Tatbestand des Verwendens der Klausel als auch auf den Tatbestand des sich-Berufens auf den unzulässigen Inhalt der Klausel in Altverträgen angewandt (zB 9 Ob 56/13w; 2 Ob 20/15b; 9 Ob 7/15t; 9 Ob 26/15m; 6 Ob 120/15p). Dagegen räumte die Entscheidung 6 Ob 235/15z eine Leistungsfrist nur für die Verwendung der Klauseln, nicht jedoch für die Unterlassung der Berufung auf die Klauseln ein. In diesem Sinn auch die Entscheidung 6 Ob 235/15z. Auch in der Literatur gibt es unterschiedliche Auffassungen zur Leistungsfrist (Stephan Foglar-Deinhardstein, drei Monate Aufschub, sich darauf zu bedenken, VbR 2017, 146; Kellner, Anm zu 6 Ob 235/15z, ÖBA 2017, 430; dagegen Langer, Keine Leistungsfrist für das „Sich Berufen“, VbR 2017, 147).

Der erkennende Senat war der Ansicht, dass die Frage der Zulässigkeit einer Leistungsfrist für das Sich Berufen auf unzulässige Klauseln nicht generell nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip zu beantworten sei. Bei der Setzung einer Leistungsfrist seien vielmehr die jeweiligen Umstände zu berücksichtigen (Ris-Justiz RS0041265). Da die Klauseln auch abrechnungsrelevante Entgeltbemessungen zum Inhalt hatten, erklärte der OGH die sechsmonatige Leistungsfrist für angemessen.