Zahlreiche Kreditvertragsbedingungen der Salzburger Sparkasse Bank AG sind unwirksam

Thema: Zahlreiche Klauseln in einem Kreditvertragsformblatt der Salzburger Sparkasse Bank AG wurden vom OGH für unzulässig erklärt.

Gesetz: § 879 Abs 3 ABGB, § 6 Abs 3 KSchG, § 14 Abs 2 VKrG, § 16 Abs 4 VKrG, § 32 Abs 7 BWG, § 33 Abs 8 Z 1 BWG, § 1333 Abs 2 ABGB, § 6 Abs 1 Z 5, § 28 Abs 2 KSchG, § 1415 ABGB

Schlagwörter: Verbandsklage, Kreditvertrag, Intransparenz, gröbliche Benachteiligung, Auszahlungsverweigerungsrecht, Zinsen, Berechnungsmethode, Erklärungsfiktion, Verweis, Wiederholungsgefahr, vorzeitige Rückzahlung, Kündigungsfrist, Vorfälligkeitsentschädigung

Urteil: 27.6.2016, 6 Ob 17/16t

Leitsatz: Im Auftrag der Bundesarbeiterkammer wurden Kreditvertragsbedingungen der Salzburger Sparkasse Bank AG abgemahnt und ein Verbandsverfahren bis zum OGH geführt.   Wesentliche Klauseln wurden vom OGH für rechtswidrig befunden.

Der OGH hielt fest, dass die bloße Verkehrsüblichkeit einer Klausel noch nicht zwingend deren Zulässigkeit bedeuten würde. Selbst eine weite Verbreitung der Klausel in einer bestimmten Branche würde einer  Anwendung des § 864a ABGB nicht entgegenstehen. Im Anlassfall wurde eine im EURIBOR-Geldmarkt übliche Zinstagberechnungsmethode (ACT/360), die im Vergleich zu einer Berechnung mit 365 Tagen den Kreditnehmer benachteiligt, für unbedenklich gehalten.

 

Folgende Klauseln waren strittig:

1.) Wir behalten uns das Recht vor, die Auszahlung von noch nicht in Anspruch genommenen Beträgen aus sachlich gerechtfertigten Gründen zu verweigern.

In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen erklärte der OGH diese Klausel für intransparent im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG. Nach § 14 Abs 2 Satz 2 VKrG hat der Kreditgeber dem Verbraucher unverzüglich mitzuteilen, wenn er von seinem Auszahlungsverweigerungsrecht Gebrauch machen möchte. Bei kundenfeindlichster Auslegung suggeriert Klausel 1 jedoch, dass der Kreditgeber jederzeit die Möglichkeit zur Auszahlungsverweigerung hat. Dem Verbraucher wird dadurch die wahre Rechtslage verschleiert, weshalb die Klausel als intransparent zu beurteilen war.

 

2.) Wir verrechnen einen fixen Zinssatz pro Zinsenperiode, der wie folgt ermittelt wird, wobei die Berechnung der Zinsen so erfolgt, dass die Zahl der zu verzinsenden Kalendertage durch 360 dividiert wird (ACT/360): …

Der OGH bestätigte die Vorinstanzen, wonach die Methode „ACT/360″(die Zahl der zu verzinsenden Kalendertage ist durch 360 zu dividieren) zur Berechnung des Zinssatzes eine im EURIBOR-Geldmarkt übliche Zinstagberechnungsmethode sei. Obwohl sie im Vergleich zu einer Berechnung mit 365 Tagen zu durchschnittlich um 0,09% höheren Zinsen führt, liege ein Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB wegen gröblicher Benachteiligung nicht vor.

Die bloße Verkehrsüblichkeit – so der OGH – würde noch nicht zwingend deren Zulässigkeit bedeuten, selbst eine weite Verbreitung der Klausel in einer bestimmten Branche könne nicht die Anwendung des § 864a ABGB hindern. Der OGH sah allerdings keine gröbliche Benachteiligung darin, dass der Kunde durch die Verwendung der Methode “ ACT/360″ für fünf Tage pro Jahr mehr Zinsen bezahlen muss als bei anderen Methoden. Der sich daraus ergebende geringfügig höhere Zins (0, 0137% je 1% Zinsbelastung) liege aufgrund der kaufmännischen Auf- oder Abrundung des Sollzinssatzes auf 1/8, also auf 0,125% unterhalb der Rundungsschwelle. Unter Verweis auf die Entscheidung 8 Ob 31/12k, in welcher der OGH die Berechnungsmethode 30/360 für die Verzinsung der Einzahlungen auf Spareinlagen (kraft Anordnung des § 32 Abs 7 BWG) für angemessen hielt, führte er nunmehr aus, dass diese Wertung durchaus verallgemeinerungsfähig sei. Der aus § 32 Abs 7 BWG gezogene Umkehrschluss, wonach der Gesetzgeber die 30/360 Methode auf Spareinlagen beschränken wollte, sei nicht berechtigt.

 

3.) Die o.a. Marge über dem vereinbarten Indikator können wir Ihnen bis 30.06.2015 fix zusagen. Frühestens mit Wirkung ab diesem Termin sind wir berechtigt, Ihnen eine neue allenfalls wieder zeitlich befristete Marge anzubieten. Solange keine neue Marge im Sinne dieser Bestimmungen vereinbart ist, gilt die bis dahin vereinbarte Marge weiter.

Eine allenfalls von uns angebotene geänderte Marge gilt mit Ihnen als vereinbart, wenn Sie nicht innerhalb von 4 Wochen ab Erhalt unserer schriftlichen Mitteilung widersprechen. Wir werden Sie auf diese Rechtsfolge Ihres Verhaltens in unserem Schreiben über die neue Marge hinweisen.

Nach ständiger Rechtsprechung wurde diese Klausel, weil sie eine nicht näher konkretisierte und unbeschränkte Möglichkeit der Vertragsänderung mittels Erklärungsfiktion zulässt, als intransparent beurteilt. Vgl. dazu 1 Ob 210/12g, 2 Ob 131/12x, 4 Ob 27/13v, 8 Ob 58/14h und 9 Ob 26/15m.

 

4.) Sollten Sie der von uns vorgeschlagenen neuen Marge nicht zustimmen und es zu keiner anderen neuen einvernehmlichen Konditionenregelung kommen, so ist die Finanzierung nach Ablauf von weiteren 4 Wochen zur Gänze zur Rückzahlung fällig.

Aufgrund einer Unterlassungserklärung der Beklagten war diese Klausel nicht mehr verfahrensgegenständlich.  

Die Kündigungsrechte des Kreditgebers im Rahmen eines Verbraucherkreditvertrages sind in § 14 VKrG abschließend geregelt. Da die Klausel ein in § 14 VKrG nicht vorgesehenes Kündigungsrecht des Kreditgebers vorsieht, wurde sie als gegen § 14 VKrG verstoßend abgemahnt.

Weiters hat der Kläger die Klausel als überraschend und benachteiligend iSd § 864a ABGB beurteilt, da der Kreditnehmer, der einen Kreditvertrag für eine bestimmte Laufzeit abschließt, nicht damit rechnen muss, dass der Kredit kurzfristig aufgekündigt werden kann und von ihm getilgt werden muss, wenn er der vom Kreditgeber vorgeschlagenen neuen Marge nicht zustimmt. De facto sichert sich der Kreditgeber mit der Klausel das Recht einer einseitigen Zinssatzänderung, ohne dass die Voraussetzungen des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG eingehalten werden. Denn kaum ein Kreditnehmer wird innerhalb von 4 Wochen einen Kredit tilgen oder umschulden können. Eine Umschuldung wird auch wirtschaftlich nicht in Frage kommen, weil alle Entgelte und Kosten, die einmalig bei Vertragsabschluss anfallen, noch ein zweites Mal zu zahlen wären. Mit der Klausel werden die gesetzlichen Anforderungen an eine einseitige Entgeltanpassung umgangen, sie wurde daher als gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB beurteilt.

 

5.) Zusätzlich fallen gegebenenfalls folgende Mahnspesen an:

– Erinnerung: EUR 21,00

– 1. Mahnung: EUR 37,00

– 2. Mahnung: EUR 49,00

Unter Verweis auf die Entscheidung 9 Ob 31/15x (Klausel 31) wurde eine inhaltsgleiche Klausel wegen Verstoßes gegen § 879 Abs 3 ABGB (§ 1333 Abs 2 ABGB) für unwirksam erklärt.

 

6.) Gegebenenfalls verrechnen wir Ihnen Kosten für Vertragsänderungen oder sonstige durch Sie veranlasste Leistungen, welche Sie dem jeweils gültigen Aushang entnehmen können.

Nach ständiger Rechtsprechung des OGH würde der Verweis auf den „jeweils gültigen Aushang“ für eine Verrechnung weiterer Kosten gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verstoßen (vgl. 3 Ob 238/05d; 1 Ob 224/06g [Klauseln5, 8 und 12]; 4 Ob 221/06p [Klausel 2.7]; 9 Ob 26/15m [Klausel 1]. Es würde auch dem Transparenzgebot widersprechen, wenn der Verbraucher gezwungen sei, sich die notwendigen Informationen aus dem Vertrag, der Broschüre und der Homepage zusammenzusuchen; der Verweis auf Preisinformationen im Schalteraushang sei dem durchaus vergleichbar.

 

7.) Obige Rückzahlungsvereinbarung gilt unter dem Vorbehalt, dass während der gesamten Laufzeit Einvernehmen über den Zinssatz besteht (siehe ‚Konditionen‘) …

Hinsichtlich dieser Klausel wurde eine Unterlassungserklärung abgegeben, weshalb sie vom OGH nicht zu beurteilen war.

Die Klausel knüpft an die unzulässigen Klauseln 3. und 4. an und wurde daher ebenfalls aus den dort genannten Gründen vom Kläger als unzulässig beanstandet. Im Übrigen bleibt unklar, inwieweit sich das fehlende Einvernehmen über den Zinssatz auf die Rückzahlungsvereinbarung auswirken soll, weshalb die Klausel auch als  intransparent gemäß § 6 Abs 3 KSchG abgemahnt wurde.

 

8.) Sie beauftragen uns, … sämtliche im Zusammenhang mit der Einräumung und Sicherstellung dieser Finanzierung anfallenden Gebühren, Kosten, Provisionen und Spesen, so-weit diese nicht in den vereinbarten Pauschalraten enthalten sind, dem Verrechnungskonto Nr. … bzw. einem allfällig von Ihnen bekannt gegebenen anderen Verrechnungskonto anzulasten.

Die Klausel wurde als intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG beurteilt, weil sie den Verbraucher völlig im Unklaren lässt, welche Gebühren, Kosten, Provisionen und Spesen die Bank dem Kreditnehmer anlasten kann. Überdies wurde diese Klausel auch als gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB angesehen, da undifferenziert sämtliche Kosten einer allfälligen Betreibung und Eintreibung auf den säumigen Schuldner überwälzt werden können. In den Entscheidungen 10 Ob 70/07b (Klausel 19) und  9 Ob 26/15m (Klausel 1) hat der OGH vergleichbare Klauseln für unwirksam erklärt.

 

9.) Wir werden die oben angeführten Raten zuerst auf den ursprünglichen Kreditteil anrechnen.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren trotz Intransparenz der Klausel mangels Wiederholungsgefahr ab. Die Beklagte hatte nämlich die Streichung der Klausel angekündigt und zugesagt, sich nicht mehr darauf zu berufen, ihre Muttergesellschaft darüber zu informieren und die technischen Anforderungen umzustellen. Der OGH sah darin keinen Wegfall der Wiederholungsgefahr und beurteilte die Klausel als intransparent.  Um die Wiederholungsgefahr gemäß § 28 Abs 2 KSchG zu beseitigen, müsse sich der Verwender von AGB dem Anspruch des klagsberechtigten Verbands nach Abmahnung vollständig, unbedingt, uneingeschränkt und strafbewehrt unterwerfen.

 

10.) Auf dem Konto einlangende Beträge werden zuerst zur Abdeckung von rückständigen/fälligen Beträgen und anschließend der tilgungsplanmäßig fälligen Beträge verwendet.

Nach der Bestimmung des § 1415 ABGB kann der Schuldner bei mehreren Schuldposten die Tilgung eines bestimmten Schuldpostens erklären. Durch die vorliegende Klausel wird dem Kreditnehmer dieses Recht genommen. Die Einwilligung des Gläubigers wird vermutet, wenn er nicht widerspricht. Der OGH sah in dieser Klausel eine gröbliche Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB, weil bei kundenfeindlichster Auslegung der Beklagten die Möglichkeit eingeräumt werde, eingehende Zahlungen des Verbrauchers trotz dessen konkreter Widmung auch zum Nachteil des Verbrauchers auf offene Beträge anzurechnen.

 

11.) Eine vorzeitige Rückzahlung dieser Finanzierung ist nur nach Ihrer Kündigung mit 6-monatiger Frist möglich. Sollten wir über Ihr Ersuchen einer vorzeitigen Rückzahlung ohne Einhaltung der Kün-digungsfrist zustimmen, werden wir Ihnen eine Vorfälligkeitsentschädigung in der Höhe von 1,00000 % des vorzeitig zurückgezahlten Finanzierungsbetrages verrechnen, wenn der Zeitraum zwischen der vorzeitigen Rückzahlung und dem Zeitpunkt des vereinbarten Ablaufs des Finanzierungsvertrags ein Jahr überschreitet. Beträgt der Zeitraum weniger als ein Jahr, dann verrechnen wir Ihnen 0,5 % des vorzeitig zurückgezahlten Finanzierungsbetrags. Den jeweiligen Betrag lasten wir dem (Verrechnungs-)Konto an.

Diese Klausel wurde vom OGH als intransparent beurteilt, weil verschleiert wird, dass § 16 Abs 4 VKrG dem Kreditnehmer ein Wahlrecht dahingehend einräumt, ob er den Kredit sofort tilgen möchte und die Entschädigung in Kauf nimmt oder lieber die Kündigungsfrist einhalten möchte. Schon in der Entscheidung 4 Ob 60/06m stellte der OGH klar, dass unter anderem bei hypothekarisch gesicherten Krediten die Parteien zwar ein besonderes Entgelt für die vorzeitige Rückzahlung vereinbaren können, diese Vereinbarung sei aber nur für den Fall zulässig und wirksam, dass der Verbraucher eine nach § 33 abs 8 Z 1 oder 2 BWG vereinbarte Kündigungsfrist nicht einhält.

 

12.) Soferne in den gesonderten Sicherstellungsverträgen nichts anderes vereinbart wird, werden die nachstehend angeführten beizubringenden Sicherheiten für alle Forderungen aus dieser Finanzierung sowie allen Ihnen von uns bereits eingeräumten oder in Hinkunft gewährten Finanzierungen bestellt: …

13.) Soferne in den gesonderten Sicherstellungsverträgen nichts anderes vereinbart wurde, dienen die uns bereits bestellten Sicherheiten auch zur Sicherstellung dieser Finanzierung.

Der OGH erklärte bereits zu 4 Ob 221/06p (Klausel 20) eine diesen beiden Klauseln vergleichbare Klausel für unwirksam. Der Einwand der Beklagten, dass der erste Satz der Klausel 12 einen materiell eigenständigen Regelungsbereich enthält,  der zulässig sein könnte, war erfolglos, da eine geltungserhaltende Reduktion im Verbandsprozess nicht in Betracht kommt (vgl. 5 Ob 42/11d).  Die Unterinstanzen gingen von der Intransparenz dieser Klauseln aus. Der fehlende Hinweis auf den Umstand, dass die Erweiterung der Sicherheiten auf andere mit einem Kreditnehmer abgeschlossene oder künftige Rechtsgeschäfte einer weiteren Vereinbarung bedürfe, würde die Rechtsposition des Verbrauchers verschleiern.

4a.) Im Übrigen gelten für diese Finanzierung die „Rahmenbedingungen für Finanzierungen“ sowie unsere „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“.

14b) Im Übrigen gelten für die Ihnen zukünftig zu gewährenden Finanzierungen die „Rahmenbedingungen für Finanzierungen“ sowie unsere „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“.

Die Vorinstanzen beurteilten diese Klauseln weder als gröblich benachteiligend noch als intransparent. Der OGH hielt sie für intransparent und führte aus, dass nach ständiger Rechtsprechung des OGH ein Querverweis in einem Klauselwerk an sich noch nicht zur Intransparenz im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG führen würde. Im Einzelfall könne allerdings unklar sein, welche Rechtsfolgen sich aus dem Zusammenwirken der aufeinander bezogenen Bestimmungen ergeben würden. In der Entscheidung 1 Ob 88/14v erklärte der OGH eine vergleichbare Klausel (Klausel 30) mit ausführlicher Begründung für intransparent. Die dort angestellten Überlegungen hielt der OGH auch im vorliegenden Fall von Bedeutung. Ein Pauschalverweis würde typischerweise dazu führen, dass sich der Kunde aus den AGB erst jene Regelungen heraussuchen muss, die auch für das mit ihm geschlossene Vertragsverhältnis gelten sollen.  Die Klauseln wurden daher insoweit als intransparent angesehen.

 

15.) Alle übrigen Bedingungen und Modalitäten bleiben unverändert aufrecht.

In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen beurteilte der OGH diese Klausel nicht als intransparent. Für den Kunden sei erkennbar, dass mit dieser Klausel nichts „Neues“ vereinbart sondern nur auf bereits bestehende Vereinbarungen hingewiesen werde. Es entstehe somit auch keine Unklarheit über seine Rechtsposition.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Unzulässige Einschränkung des Rücktrittsrechts betreffend rabattierte Gutscheine

Thema: OGH hatte erstmals unzulässige Klauseln betreffend Rücktrittsrecht im Fernabsatz am Maßstab des FAGG zu prüfen. 

Gesetz: § 5e KSchG, § 5f KSchG, § 5c Abs 4 Z 1 KSchG, § 11 Abs 1 FAGG, § 18 Abs 1 Z 1 FAGG

Schlagwörter: Gutscheine, Fernabsatz, Rücktrittsrecht, Klauseln, Intransparenz, Rechtsänderung

Urteil: 21.12.2015, 6 Ob 169/15v

Leitsatz: Im Auftrag der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte wurde erfolgreich eine Verbandsklage gegen die beklagte Partei Groupon AT GmbH eingebracht. Es handelt sich um eine der ersten Entscheidungen zu den neuen Bestimmungen des FAGG.

Die Beklagte vertreibt über ihre Plattform www.groupon.at rabattierte Gutscheine für Leistungen und Waren anderer Unternehmer, wobei der Gutschein einen Anspruch auf die Leistungserbringung durch den Partner gewährt. Die Beklagte hatte dafür einzustehen, dass das Partnerunternehmen die Leistungen zu den im Gutschein verbrieften Bedingungen erbringt. Wenn das Partnerunternehmen den Gutschein aus irgendeinem Grund nicht akzeptierte, hatte der Verbraucher die Möglichkeit, dies gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Entsprach die gelieferte Ware hingegen nicht der Beschreibung, hatte sich der Verbraucher direkt mit dem Partnerunternehmen auseinander zu setzen.

Vor diesem Hintergrund waren zwei Klauseln  in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten im Zusammenhang mit dem Rücktrittsrecht des Konsumenten zu beurteilen, wobei während des Verfahrens eine Rechtsänderung stattfand. Durch das Verbraucherrechte-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (VRUG, BGBl I 2014/33) wurden die Bestimmungen des KSchG aF in Bezug auf die bisherige Haustürgeschäfte-Richtlinie 85/577/EWG und die Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG abgelöst (konkret wurden ua die §§ 5c bis 5i KSchG aufgehoben). Dieses Gesetz ist am 13.6.2014 in Kraft getreten. Das im Anlassfall anzuwendende Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG) ist Teil des Verbraucherrechte-Umsetzungsgesetzes. Fernabsatzverträge sind nunmehr (ausgenommen ist der Fernabsatz für Finanzdienstleistungen, der im FernFinG normiert ist) ausschließlich im FAGG geregelt, das im wesentlichen Informationspflichten des Unternehmers sowie das Rücktrittsrecht des Konsumenten bei Fernabsatzverträgen regelt.

Die gegenständlichen Klauseln waren nicht nur an der alten Rechtslage an den Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) sondern auch an der neuen Rechtslage nach dem Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (§ 11 und §18 FAGG) zu messen.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) kam zum Ergebnis, dass die beanstandeten Klauseln sowohl nach der alten Rechtslage als auch nach den entsprechenden Bestimmungen im FAGG unzulässig sind.

Konkret ging es um folgende Klauseln, deren Rechtswidrigkeit wie folgt begründet wurde:

1) Nach Einlösung des Gutscheins bei dem Partner ist ein Widerruf nicht mehr möglich.(Pkt 5.2., 1. Satz)

2) Ein Widerruf ist weiters beim Kauf von Gutscheinen für Hauslieferungen oder Freizeit-Dienstleistungen (§ 5c Abs 4 Z 1 und 2 KSchG) ausgeschlossen. Dies betrifft beispielsweise Unterbringungen, Beförderung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie Freizeitgestaltung, wenn die Dienstleistung zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines genau angegebenen Zeitraums zu erbringen ist. Kein Widerrufsrecht besteht damit insbesondere bei Gutscheinen, die zum Besuch eines ganz bestimmten Konzerts  oder sonstigen Freizeit-Events berechtigen.(Pkt 5.2., 2.-4. Satz)… Gutscheine, die gemäß Pkt 5.2 vom Widerruf ausgeschlossen sind, können auch nicht umgetauscht werden. (Pkt 14., letzter Satz)

Während das Erstgericht das Klagebegehren abwies, hielt das OLG Wien die beanstandeten Klauseln für unzulässig. Das Erstgericht war der Auffassung, dass diese Klauseln auf Grund ihrer Änderung vor dem Inkrafttreten des FAGG ausschließlich nach der alten Rechtslage zu prüfen seien. Das Berufungsgericht hielt hingegen fest, dass im Fall einer Rechtsänderung während des Verfahrens die Berechtigung eines Gebots auch nach dem neuen Recht, im konkreten Fall den Bestimmungen des FAGG, zu prüfen seien. Nach den Übergangsbestimmungen sei zu beurteilen, ob eine Gesetzesänderung für ein laufendes Verfahren relevant sei.  Die Bestimmung des § 20 FAGG sah diesbezüglich keine für dieses Verfahren zu beachtende Besonderheiten vor, sodass das Berufungsgericht von der Anwendbarkeit des FAGG für nach dem 13.6.2014 geschlossene Verträge ausging, zumal die Beklagte die inkriminierten Klauseln wieder einführen könnte.  Gemäß § 41a Abs 29 KSchG igF seien die §§ 5c bis 5i KSchG aF weiterhin auf vor dem 13.6.2014 geschlossene Verträge anzuwenden.

Die erste Klausel war überschießend und überschritt die Bestimmung des § 5f KSchG, die die davon ausgenommenen Verträge ausdrücklich regelt. Beispielsweise werden die von der Beklagten angebotenen Warengeschäfte etwa über Kopfhörer oder Uhren von § 5f KSchG nicht erfasst. In solchen Fällen sei nicht nachvollziehbar, so das Berufungsgericht, warum der Konsument auf sein Rücktrittsrecht gegenüber der Beklagten verzichten soll, wenn er nach Prüfung der Ware zum Schluss kommt, dass er sie doch nicht benötigt. Problematisch sei auch die Rückabwicklung eines solchen Warengeschäftes, da der Konsument vom Partnerunternehmen realistischer Weise nur den Gutschein zurückbekommt und mit dem Gutschein nur die gleiche Ware wieder kaufen kann, die er nicht möchte. In diesem Zusammenhang bestünden daher keine Bedenken gegen ein doppeltes Rücktrittsrecht (sowohl vom Gutscheinkauf als auch vom Warengeschäft, das unter Verwendung des Gutscheins abgeschlossen wurde, sondern sei ein solches sogar geboten. Die Ausübung eines doppelten Rücktrittsrechtes sei auch nach der neuen Regelung des FAGG theoretisch möglich. Eine allfällige Besserstellung des Konsumenten sei vom Gesetzgeber und vom Richtliniengeber intendiert.

Die zweite Klausel enthielt zwei eigenständige Regelungsbereiche, nämlich einerseits den Ausschluss des Widerrufs für Hauslieferungen und Freizeit-Dienstleistungen und andererseits den Ausschluss des Umtausches bezogen auf Gutscheine, die vom Widerruf ausgeschlossen sind. Eine differenzierte Betrachtungsweise hielt das Berufungsgericht daher für zulässig. Im Lichte der OGH Entscheidung 7 Ob 22/12d, wonach Gutscheine, die vom Widerruf ausgeschlossen sind, nicht mehr umgetauscht werden können, hielt das Berufungsgericht die diesbezügliche Einschränkung in dieser Klausel für zu allgemein und daher für unzulässig. Es könnten durchaus berechtigte Ansprüche des Gutscheininhabers bestehen, dass der Gutschein länger als in der angegebenen Gültigkeitsdauer eingelöst werden kann. Denkbar wäre auch der Anspruch, Gutscheine für Waren umzutauschen, deren Kauf man widerrufen hat.

Auch die Beurteilung nach dem FAGG fiel nicht anders aus. Die Nachfolgebestimmung des § 5e KSchG aF sei § 11 FAGG, der die Form und die Frist des Rücktritts regelt. Die Rücktrittsfrist sei nunmehr 14 Tage (wie in den AGB der Beklagten), wobei der Fristbeginn je nach Vertragsart unterschiedlich sei. Das Berufungsgericht hatte zu beurteilen, ob die Klauseln der Beklagten von den Ausnahmen des Rücktrittsrechts nach § 18 FAGG gedeckt sind. Die Textierung des ersten Satzes der Klausel ging auch in Bezug auf § 18 FAGG zu weit, weil nach wie vor auch Warengeschäfte etwa über Kopfhörer oder Uhren mitumfasst wären. Die Bestimmung des § 18 FAGG baue auf den Ausnahmetatbeständen des § 5f KSchG auf, wobei folgende Änderungen zu beachten seien: Das Rücktrittsrecht ist dann ausgeschlossen, wenn der Unternehmer auf Verlangen des Verbrauchers und der Bestätigung des Verbrauchers über dessen Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts mit der Ausführung von Dienstleistungen bereits vor Ende der Rücktrittsfrist beginnt und diese vollständig erbringt. Dieser Ausnahmetatbestand sei auf die oben genannten Warengeschäfte anzuwenden. Der Ausschluss des Umtausches bezogen auf Gutscheine, die nach der vorliegenden Klausel vom Widerruf ausgeschlossen sind, sei auch im Hinblick auf das FAGG zu allgemein und daher unzulässig.

Da die Rechte des Gutscheininhabers nicht durch ein besonderes Interesse der Beklagten aufgewogen werden, wurden sowohl Klausel 1) als auch der zweite Teil der Klausel2) nach dem KSchG aF und auch nach dem FAGG für nichtig erklärt.

Der OGH bestätigte die Ausführungen des Berufungsgerichtes dahingehend, dass die Berechtigung des Unterlassungsbegehrens sowohl an den Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes als auch am FAGG zu messen sei.  Nach ständiger Rechtsprechung des OGH sei ein Unterlassungsanspruch aufgrund eines Lauterkeitsverstoßes nur dann zu bejahen, wenn das beanstandete Verhalten sowohl gegen das alte als auch gegen das neue Recht verstößt. Nach dieser Rechtsprechung könne eine Parallelprüfung nach altem Recht nur dann unterbleiben, wenn das beanstandete Verhalten nach Inkrafttreten des neuen Rechts fortgesetzt wurde, was nach den Feststellungen der Vorinstanzen hier nicht der Fall war.